Ist der Clubhouse Hype in Deutschland schon wieder vorbei? Die Anzahl der Suchanfragen bei Google deutet darauf hin und auch eine Studie der Universität Duisburg-Essen mit dem Marktforschungsunternehmen Civey unter Clubhouse-Nutzerinnen und Nutzern legt das nahe[1]. Ich aber sehe das anders.
Seit zwei Monaten bin ich nun schon aktiv auf Clubhouse. Als End-50er würde ich mich im eher konservativen Milieu und nur bedingt als Social Media-affin verorten, doch als die FAZ am 19. Januar sowohl im Wirtschaftsteil[2] als auch im Feuilleton[3]darüber berichtete, wurde ich neugierig und wollte verstehen, was es damit auf sich hat.
Bist Du auch schon auf Clubhouse?
Kurzerhand habe ich die App heruntergeladen[4] und wenige Minuten später erhielt ich per SMS von einem ehemaligen Kollegen eine Einladung zu Clubhouse. Wir hatten uns Jahre nicht gesprochen, aber irgendwie schien er im richtigen Moment zur Stelle zu sein. Ich habe mich jedenfalls gefreut und war dank seiner Einladung jetzt Mitglied im Club.
Genau diese Exklusivität — Clubhouse läuft bislang nur auf iPhones und der Zutritt erfordert eine persönliche Einladung — hat sicherlich zum anfänglichen Run auf Clubhouse beigetragen. Ohne die Posts einiger Influencer im Januar bei LinkedIn (Na, bist Du schon dabei?) und der starken Berichterstattung in den Medien wäre ich nicht dazu gekommen. So aber hatte ich diese auch Fear Of Missing Out genannte Angst bei mir selbst verspürt.
Sichtbar werden mit Clubhouse
Nun war ich also dabei und als erstes bittet mich die App um den Zugriff auf meine Kontakte. Weil ich auch bei anderen Apps die Annehmlichkeiten der Nutzung über meine Datenschutzbedenken stelle, habe ich zugestimmt und im Handumdrehen zeigt mir die App, wer in meinem Adressbuch wie viele gemeinsame Kontakte hat, die schon bei Clubhouse sind. Ich weiß, ich zahle mit Daten, aber so ist das eben. Als Anfänger kann ich zwei weitere Kontakte einladen — so macht die App die virale Verbreitung dem Nutzer ganz einfach. (Wenn man später aktiv auf Clubhouse ist, erhält man weitere Einladungen zugeteilt.)
Als nächstes lege ich ganz einfach mein Profil an: Selfie aufnehmen oder Foto hochladen und Namen eintragen. Fertig! Später kann ich noch mein Profil bei Twitter und Instagram verlinken und beschreibenden Text zu mir ergänzen. Dann kann es losgehen. Die App schlägt mir verschiedene Räume vor, in die ich reinhören kann und durch Angabe meiner Interessensgebiete lernt der Algorithmus, was er mir zukünftig vorschlägt.
Audio only — Radio zum Mitmachen
Ich bin nicht bei Instagram und habe auch keine Influencer, denen ich regelmäßig folge. Auf Clubhouse interessiere ich mich für Themen rund um Gesundheitswirtschaft und Digital Health. Also einfach mal reinhören. Abgesehen von den sichtbaren Profilen geht es nur um die Stimme. Räume sind wie Live-Podcasts, bei denen man sich selbst zu Wort melden kann. Je nachdem, wie gut der Moderator ist, verläuft die Diskussion mal chaotisch und mal sehr diszipliniert. Ich bin jedenfalls fasziniert von der Intimität, die über die Sprache transportiert wird und lausche oft gebannt den unterschiedlichsten Diskussionen. Wenn ich eine Frage oder einen Kommentar habe, melde ich mich zu Wort und rede mit.
Im Deutschlandfunk wurde über das Suchtpotenzial von Clubhouse berichtet. Das kann ich gut nachvollziehen und auch meine Familie hat das erleiden müssen, wenn ich mit Ohrstöpseln am Esstisch saß oder am Wochenende gar nicht für sie ansprechbar war. Je nachdem, wie man die Einstellungen wählt, wird man zur Teilnahme an zig Sessions aufgefordert. Mit der Zeit habe ich gelernt, die Spreu vom Weizen zu trennen und höre nur noch rein, wenn es bei mir zeitlich passt und ich das Thema wirklich spannend finde.
Gleichgesinnte treffen und neue Kontakte knüpfen
Was mich begeistert, sind vor allem die Personen, die man trifft. Es mag daran liegen, dass der Zugang nach wie vor begrenzt ist und nur Menschen mit Interesse an Neuem dabei sind. In der Community der HealthTech-Enthusiasten habe ich sehr viele spannende neue Kontakte aus aller Welt knüpfen können. Ich tausche mich leidenschaftlich mit anderen darüber aus, wie Gesundheitssysteme mittels digitaler Möglichkeiten nachhaltig gestaltet werden können, sodass der Patient mit seinen Bedürfnissen wirklich im Mittelpunkt steht.
Kürzlich kam ich in einen Raum, wo sich Startups, Ärzte und Patientenvertreter über Innovation in der Radiologie unterhielten. Rund 15 Personen aus den USA, Südamerika, Russland, Singapur und Deutschland unterhielten sich über bildgebende Verfahren und künstliche Intelligenz. Die Gedanken zu neuen Geschäftsmodellen flogen hin und her, man wollte voneinander lernen und suchte nach Möglichkeiten der Zusammenarbeit. Um eine solche Gruppe zusammenzubringen, müssten wir in der analogen Welt lange planen und weit reisen. Und wahrscheinlich würden wir nicht einmal die Hälfte der interessierten Experten ausfindig machen. Hier aber ging es scheinbar spielerisch und ruck-zuck. Die richtigen Leute waren da!
In einem laufenden Raum schaue ich mir die Profile der Sprecher an. Ich folge den Personen, die ich spannend und inspirierend finde. Wenn ich mich selbst in einer Diskussion zu Wort melde, sehe ich sofort, wen ich gerade als Follower gewonnen habe. In zwei Monaten habe ich so über 1.000 Menschen getroffen, die sich für das interessieren, was ich zu sagen habe. Oft vernetze ich mich anschließend mit den interessanten Personen noch über Twitter oder LinkedIn. Und mit weit mehr als 15 Personen habe ich seit meinem Beitritt zu Clubhouse schon intensive persönliche Dialoge im Anschluss per Telefon oder Videokonferenz geführt. In einigen Fällen konnte ich darüber auch schon potenzielle Neukunden gewinnen bzw. über ganz konkrete Projekte sprechen.
Clubhouse als Marketing-Kanal
Als Gründer des Beraternetzwerks Healthcare Shapers ist mir die Sichtbarkeit unserer Marke wichtig. Unter dem Namen Healthcare Shapers laden wir ein in eigene Club-Räume. Jeden Dienstag tauschen wir uns mit Beratern aus unserem Netzwerk und Gästen zu aktuellen Themen aus und geben in 45 knackigen Minuten praktische Tipps. So wachsen unser Netzwerk und die Schar unserer Freunde. Und damit hoffentlich auch irgendwann die Anzahl der Projektanfragen.
In Zeiten, wo physische Treffen unmöglich sind, habe ich einen wichtigen neuen Kommunikationsweg für mich entdeckt. Und die Möglichkeit, unkompliziert Gleichgesinnte zu finden elektrisiert mich immer wieder. Wenn das nicht nachhaltig ist…
Meine Tipps für die Macher der App:
- Für DSGVO-gemäßen Datenschutz sorgen
- Zugang auch für Nutzer anderer Betriebssysteme wie etwa Android ermöglichen
- Übersichtliche Darstellung der geplanten Talks schaffen — ähnlich wie ein Radioprogramm
- Weiter am Ball bleiben — Euer Format ist klasse!
[1] https://www.linkedin.com/feed/update/urn:li:activity:6778264360147001344/
[2] https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/clubhouse-app-willkommen-im-vereinshaus-17154575.html
[3] https://www.faz.net/aktuell/stil/trends-nischen/hype-um-clubhouse-was-kann-die-neue-app-17153745.html
[4] Derzeit nur verfügbar für iOS: https://apps.apple.com/de/app/clubhouse-drop-in-audio-chat/id1503133294